Erfahrungsbericht:)

Oi:)

Mittlerweile sind 3 Monate vorbei und vor genau 100 Tagen hat mein Abenteuer gestartet...
Dementsprechend hat YFU mich gebeten, einen Erfahrungsbericht für mein Stipendium über die erste Zeit hier zu schreiben.
Wie ihr wahrscheinlich wisst, habe ich das Botschafter Bayerns Stipendium vom bayrischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus erhalten. Dadurch habe ich die Möglichkeit bekommen hier ein Auslandsjahr zu machen und bin natürlich unfassbar dankbar dafür.
Es würde mich sehr freuen und mir viel bedeuten, wenn ihr meinen Erfahrungsbericht lesen würdet:)
Für mich war es ziemlich schwierig meine 3 Monate in nur 3 Seiten zu beschreiben, alle wichtigen Aspekte aufzugreifen und einfach das euch mitzuteilen, was ich für wichtig erachte.

 
Travel - Experience - Learn

Mein Auslandsjahr hier in Brasilien ist eine große Reise für mich. Verbunden mit unfassbar vielen Erlebnissen und Erfahrungen, die mir bereits in den ersten drei Monaten ermöglicht wurden und noch auf mich zukommen werden.
„Wer glücklich sein will, braucht Mut! Mut zur Veränderung, neue Brücken zu bauen, alte Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen“
Dieses Zitat kann meiner Meinung nach auch auf mein Auslandsjahr bezogen werden. Denn es kostete mich viel Mut und es war nicht leicht mein Zuhause, meine Familie und Freunde in Deutschland zu verlassen. Aber diese Entscheidung hat mir etwas Einzigartiges ermöglicht: Ein Jahr in Brasilien zu verbringen und hier ein zweites Zuhause zu finden.            
Doch schon in meinen ersten Monaten hier benötigte ich viel Mut, Stärke und musste kämpfen, für das was mir persönlich wichtig ist. Es ist nicht einfach, aber es sind trotzdem Zeiten, die ich nicht missen möchte. Ich konnte dadurch schon unfassbar viel lernen, mich weiterentwickeln und verändern. Dementsprechend muss ein Auslandsjahr nicht perfekt sein, nicht von Anfang an alles Gut mit einer perfekten Gastfamilie und einer perfekten Schule. Nicht zu vergessen, Schwierigkeiten wird jeder Austauschschüler haben, wie die Sprache, Kulturschock, Heimweh, … der eine hat größere, der andere kleinere. In meinem Fall lagen die Probleme erst im Bereich der Gastfamilie und jetzt jedoch die Schule. Aber dennoch ist mein Auslandsjahr nicht „schlechter“ als das von anderen, deren Jahr nur mit kleinen Komplikationen und nahezu optimal verläuft. Denn meiner Meinung nach kann ich dadurch noch mehr lernen und wenn ich es leicht haben hätte wollen, hätte ich in Deutschland in meinem gewohnten Leben bleiben müssen. Natürlich gibt es auch viele Momente, in denen ich nicht so denke, die schwierig sind und ich mich frage, warum ich so viele Probleme habe. Aber dennoch habe ich meine Entscheidung nie bereut und bin unfassbar glücklich ein Auslandsjahr hier machen zu dürfen!
Doch wie alles begann…
Mit der Frage: „Soll ich oder soll ich nicht?!“ trat das Kapitel Auslandsjahr letztes Jahr in mein Leben. Nach einiger Überwindung war der erste Schritt erledigt, YFU-Meldeformular zur Bewerbung abgeschickt. Es begann eine Zeit, die für mich wie ein langer, steiniger und somit auch schwieriger Weg war. Damit verbunden waren viele verschiedene Etappen wie die Bewerbung bei YFU sowie für das Botschafter Bayerns Stipendium, die Vorbereitungstagung oder das Bearbeiten vieler Dokumente… Jedoch nicht zu vergessen, sind die Steine, die sich als Hindernisse auf meinem Weg befanden, wie beispielsweise das Problem der Finanzierung. Oder auch die, die ich mir selbst in den Weg gelegt habe. Denn die Zweifel: „Werde ich das Stipendium erhalten?“ oder „Wird mein Traum von einem Auslandsjahr in Brasilien so kurz vorher zerplatzen?“, waren meine täglichen Wegbegleiter. Jedoch konnte ich immer auf die Unterstützung meiner Eltern zählen, die mir in dieser Zeit zur Seite standen. Die Zusage des Botschafter Bayerns Stipendium wird für mich immer den emotionalsten und bedeutendsten Moment meines gesamten Auslandsjahres darstellen, denn damit wurde mir meine Zeit in Brasilien ermöglicht. Dementsprechend bin ich dem bayrischen Kultusministerium von ganzem Herzen dankbar, als eine Botschafterin Bayerns ausgewählt worden zu sein und mein Auslandsjahr in Brasilien verbringen zu dürfen. Mit der Gewissheit vergingen die letzten Monate unfassbar schnell und der 7. August, der alles verändernde Tag war da.
Ich war am Ende meines Weges angekommen, bereit meine große Reise zu starten…
Doch zuvor gab es noch den Abschied von meinen Eltern am Flughafen. Dieser Moment war für mich verbunden mit wahnsinnig vielen Gefühlen, Vorfreude und Aufregung auf der einen Seite, aber auch Tränen des Abschiedes auf der anderen. Nach ungefähr 12 Stunden Flugzeit, die unglaublich schnell verging, sind wir in Brasilien gelandet – zu dem Moment noch unrealisierbar. Die darauffolgenden drei Tage „Orientations“ habe ich gemeinsam mit den anderen internationalen Austauschschülern in der Nähe von Rio de Janeiro verbracht. Es war eine sehr interessante Zeit und ich konnte schon viele Einblicke gewinnen, in das was mir bevorstand. 
Gespannt mein Zuhause für die nächsten 11 Monate kennenzulernen…
Mit diesem Gedanken stieg ich am 11. August erneut ins Flugzeug. Am Flughafen wurde ich von meiner Gastmutter und Gastschwester abgeholt. Meine Gastfamilie wohnt in Marataízes (Stadt mit ca. 35.000 Einwohner, direkt am Meer, im Südosten von Brasilien). Im Gegensatz zu vielen anderen Austauschschülern, war mir meine Gastfamilie auf den ersten Blick unsympathisch und ich habe mich nicht herzlich empfangen gefühlt. Dennoch habe ich versucht, alles positiv zu sehen, offen zu sein, in der Hoffnung, dass ich mich nach und nach anpassen und auch wohlfühlen würde. Doch leider ist genau das Gegenteil passiert, mit der Zeit hat meine Gastschwester immer weniger mit mir geredet, am Ende mich sogar ignoriert. Meine Gasteltern waren entweder arbeiten oder in ihrem Zimmer mit verschlossener Tür um zu schlafen und fernzusehen. Dementsprechend war ich den ganzen Tag allein und konnte mit niemandem reden, um mein portugiesisch zu verbessern. Zusammengefasst hatte ich keinerlei Beziehung zu meiner Gastfamilie, welche jedoch unfassbar wichtig ist. Dies und noch weitere Gründe haben dazu geführt, dass ich meine Gastfamilie wechseln wollte. Nach anfänglichen Meinungsverschiedenheiten zwischen meiner Betreuerin und mir, hat YFU Brasil eingewilligt, mir eine neue Gastfamilie zu suchen. Zu meiner Verwunderung geschah dies in nur einer Woche.
Lieber etwas riskieren, als ewig bereuen, es nicht getan zu haben…
Natürlich hatte ich Ängste und Zweifel, ein wenig mehr durch die bereits schwierigen Zeiten mit meiner alten Gastfamilie. Außerdem war mir bewusst, dass es selbstverständlich noch schlimmer werden könnte.  Jedoch lag meine Hoffnung darin, dass ich eine liebe Familie bekommen würde, die mir zeigt, dass sie mich mag, mit mir redet, ich mich wohlfühle und wir einfach eine sehr gute Beziehung zueinander haben werden.
Voller Hoffnung nun ein Zuhause in Brasilien zu finden…
Meine aktuelle Gastfamilie wohnt in Guarapari. (Stadt mit 135.000 Einwohner, direkt am Meer und 65km von Marataízes entfernt) Als ich dort angekommen bin, umarmte und begrüßte meine Gastmutter mich mit den Worten „meine neue Tochter“. Ich glaube, sie kann sich überhaupt nicht vorstellen, wie wichtig dies für mich war und dass ich mich von diesem Moment an schon wohlgefühlt habe. Mittlerweile sind 48 Tage vergangen, in dieser Zeit ist meine Gastfamilie zu meiner 2. Familie geworden, mir unglaublich ans Herz gewachsen und ich bin unfassbar glücklich hier zu sein. Ich kann mir keine bessere Gastfamilie vorstellen, sie sind wahnsinnig lieb zu mir, nehmen sich Zeit für mich und unterstützen mich immer. Des Weiteren habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu meiner 13-jährigen Gastschwester, sie ist schon für mich wie eine richtige Schwester geworden und wir machen viel zusammen. Außerdem sind sie sehr an Deutschland interessiert, ich haben in schon einiges darüber erzählt und von meinem deutschen Kuchen waren sie auch sehr begeistert.
So schnell Alltag geworden…
Ich habe mich hier unfassbar schnell eingelebt und das Leben meiner Gastfamilie ist auch zu meinem geworden. Meine Gastmutter arbeitet den ganzen Tag, aber kommt zum Mittagessen nach Hause. Den Nachmittag verbringe ich dann zusammen mit meiner Gastschwester und wir unterhalten uns, schauen Netflix oder ich lerne portugiesisch und spanisch, während sie ihre Schulsachen erledigt. Am Abend gehen wir dann immer zusammen ins Fitnessstudio und zweimal die Woche habe ich noch Spanischunterricht. Außerdem hat meine Familie jede Woche noch ein Treffen mit Freunden aus der Kirche, bei welchem ich immer mitgehe. Ansonsten ist freitags immer ein Jugendgruppentreffen der Kirche. Am Samstag gibt es manchmal verschiedene Aktivitäten der Kirche, da meine Gastmutter und Schwester dort sehr aktiv sind. Einmal waren wir aber auch schon am Strand, nur zu Hause oder bei Verwandten zum Mittagessen. Der Sonntag ist dann immer der Kirche gewidmet, wie ich es beschreiben würde. Das bedeutet wir gehen morgens in den Gottesdienst, Bibelstunde danach und am Abend ein weiteres Treffen der Jugendlichen und abschließend Gottesdienst. Hier in Brasilien habe ich dementsprechend schon mehr gebetet als in 15 Jahren in Deutschland und war schon viel öfters in der Kirche. Allerdings bin ich nicht religiös und daher ist es mir manchmal etwas zu viel Wirbel um Gott und Kirche, aber ich nehme an allen Dingen teil, da es zum Leben meiner Gastfamilie gehört. Außerdem glaube ich, dass es ihnen wichtig ist und sie sich darüber freuen. 
„Nicht einmal wir sprechen richtig portugiesisch…“
Diese Aussage habe ich in den drei Monaten schon unfassbar oft gehört, aber nicht nur von Freunden, Mitschülern sondern auch von Erwachsenen. Beim ersten Mal war ich ziemlich verwundert, weil ich noch nie daran gedacht hatte, portugiesisch als eine der schwierigsten Sprachen zu betrachten. Denn ich hatte eigentlich von Anfang an keine großen Probleme, allerdings habe ich auch in Deutschland im November vergangenen Jahres schon angefangen portugiesisch zu lernen. Mein Ziel war es die Grundlagen der Sprache bis zu Abreise zu beherrschen, was mir auch sehr geholfen hat. In den drei Monaten hier hat sich mein portugiesisch schon wahnsinnig verbessert, ich verstehe mittlerweile eigentlich fast alles und sogar in der Schule einiges. Etwas Lustiges ist mir allerdings auch schon aufgefallen, denn ich verstehe was die Personen sagen oder auch den Film und kann auch in Portugiesisch darüber sprechen bzw. antworten. Wenn ich dann allerdings ins Deutsche übersetzen soll oder für mich überlege, dies funktioniert mittlerweile schon nicht mehr. Ich denke mein Kopf hat sich schon ziemlich an portugiesisch gewöhnt. Aber bis zu meinem Ziel, fließend sprechen zu können, werde ich noch viel lernen müssen.
Brasilianische Schule - ein Kapitel für sich…
Schüler, deren Eltern über bessere finanzielle Mittel verfügen, gehen größtenteils auf eine Privatschule. Es gibt hauptsächlich nur Frontalunterricht, die Schüler sind am Handy, schlafen, unterhalten sich – machen was sie wollen. Nur wenige Lehrer sind strenger und unterrichten wirklich, doch manchmal sind sogar sie während der Unterrichtsstunde am Handy oder machen spontan etwas anderes. Allerdings ist das Schüler-Lehrer Verhältnis hier viel herzlicher, kommunikativer, lustiger und es wird auch nur der Vorname zur Anrede verwendet. Außerdem ist es auch normal sich zu umarmen. Die Prüfungen bestehen größtenteils aus Multiple Choice Fragen und sind somit ziemlich einfach, sodass ich teilweise schon mehr Punkte habe als meine Mitschüler.                                                     
So sehr ins Herz geschlossen in so kurzer Zeit…

Meine Klasse in Marataízes war unglaublich lieb, hat mich wahnsinnig gut aufgenommen und ich habe mich sofort wohlgefühlt – als ein Teil der Klasse. In der schwierigen Zeit mit meiner Gastfamilie waren meine Freunde und meine Klasse für mich da, eine wichtige Stütze und mit ihnen war ich immer glücklich. Denn beispielsweise überlegten sie sich Dinge, damit ich am Nachmittag nicht so allein bin. Mir ist es wirklich unfassbar schwer gefallen meine Klasse und Freunde zu verlassen, als ich meine Gastfamilie gewechselt habe. Denn sie haben mir gezeigt mit lieben Worten, dass sie mich in kurzer Zeit auch unfassbar ins Herz geschlossen haben. Ein besonderes Erlebnis war der letzte Schultag, denn meine Klasse bereitete mir zum Abschied noch eine Überraschung. Sie haben mir 2 Klassenfotos, brasilianische Süßigkeiten und selbstgemachte Karten geschenkt. Ich habe mich natürlich wahnsinnig darüber gefreut, aber für mich war der emotionalste Moment, als ich bei meiner Klasse bedankt habe. Denn ihre Reaktion darauf war für mich einfach nur herzergreifend, denn alle aus meiner Klasse hatten Tränen in den Augen. 

„Alle Schwierigkeiten sind Stufen, auf denen wir in die Höhe steigen“… - Friedrich Nietzsche
In Guarapari hatte ich einen Monat lang keine Schule, wurde von allen abgelehnt. Letztendlich besuche ich nun eine öffentliche Schule und dort habe ich leider ziemliche Schwierigkeiten. Meine aktuelle Klasse stellt leider das komplette Gegenteil dar, denn von Anfang an hatte niemand Interesse mich zu integrieren, mich kennenzulernen oder mit mir zu reden. Jedoch versuche ich alles: auf sie zuzugehen, mit ihnen zu reden, über WhatsApp Kontakt aufzubauen… Doch leider wird es nicht besser und nach fast einem Monat immer schlimmer. Freunde habe ich keine, stattdessen zeigen sie mir nur Ablehnung. Dementsprechend fällt es mir schwer in die Schule zu gehen, ich bin ich den ganzen Schultag allein, niemand spricht mit mir oder wartet auf mich. Jetzt könnte man wahrscheinlich denken, ich bereue es die Gastfamilie gewechselt zu haben. Aber nein, das trifft zu 100% nicht zu!! Dank meiner Gastfamilie bin ich hier trotzdem sehr glücklich!
Brasilien hat mich in seinen Bann gezogen…
In meinen ersten 3. Monaten ist mir dieses Land schon unglaublich ans Herz gewachsen, mit seiner ganzen Schönheit, all den Unterschieden, der beeindruckenden Kultur und den vielen herzlichen Menschen. Ich könnte mir kein anderes besseres Land für mein Auslandsjahr vorstellen!!


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